Frauen in der Digitalen Transformation

Fachgespräch: Frauen in der digitalen Transformation. Wie verändern sich „Büroberufe“ durch die Digitalisierung?

 

Es diskutieren Dr. Sandra Hofmann (Forschungsleiterin am Darmstädter Wirtschaftsforschungsinstitut WifOR), Matthias Linder (wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Innovation und Gute Arbeit bei ver.di), Dr. Karin Reichel (Geschäftsführerin des FrauenComputerZentrums Berlin e.V.), Katina Schubert (Landesvorsitzenden und arbeitspolitische Sprecherin der Linksfraktion Berlin) und Ines Schmidt (frauenpolitische Sprecherin der Linken) miteinander.

Stärkere Beteiligung von Frauen im digitalen Wandel

Mit der Digitalisierung sind wir ZeitzeugInnen eines tiefgreifenden Wandels mit weitreichenden Folgen für Unternehmen und ihre Beschäftigten. Wir stehen erst am Anfang dieser digitalen Transformation und die Frage ist: Wie können Büroangestellte Gestaltungsmöglichkeiten erhalten anstatt nur Anpassungsqualifikationen zu erlernen?

 

 

Zur aktuellen Datenlage und zum Forschungsstand der Büroangestellten in Deutschland ist zu sagen, da es sich hier um einen typischen Frauenberuf handelt, das diese Berufsgruppe statistisch schlecht erfasst ist und nicht im Forschungsinteresse der technik- und produktionsorientierten Wissenschaft steht. Da die Digitalisierungsdebatte aus den männerdominierten Branchen der Industrie 4.0 kommt, ist sie technikgetrieben und geschlechtsblind. Immer noch werden Männer von ihrem Arbeitgeber häufiger mit digitalen Geräten ausgestattet als Frauen. Männer erhalten auch deutlich mehr Schulungen im Themenfeld Digitalisierung als Frauen. Häufig werden Frauen schon in der Anwendung diskriminiert, denn geschlechtsneutrale Algorithmen gibt es bisher nicht. Algorithmen werden von einer homogenen Gruppe, meist weißer westlicher Männer, programmiert. Dies muss schnellst möglich geändert werden.

Was bedeutet digitale Arbeit für Beschäftigte Frauen und Männer?

Frauen, wie Männer sind gleichermaßen von der digitalen Automatisierung betroffen. Die Digitalisierung wird Arbeit nicht abschaffen sondern nur verschieben. Weg von Routinetätigkeiten, d.h. wiederkehrende Arbeiten, Aufgaben in Kalkulation, Planung, Berechnung und Sacharbeit, diese kann eine Maschine schon heute besser, schneller, präziser und günstiger verrichten, hinzu höher qualifizierten und anpassungsfähigen Arbeitstätigkeiten. Dennoch besitzt der Dienstleistungsbereich, indem immerhin 75% Frauen arbeiten, größten Zuwachs an Arbeitskräften. Gerade personenbezogene Dienstleistung wird zunehmen. Aktuell gibt es Chancen für Beschäftigte im Gesundheits- und Sozialwesen. Von 2001-2014 gingen 300.000 Jobs in der Industrie verloren, im Gesundheits- und Sozialwesen hingegen wurden 1,3 Millionen neue Jobs geschaffen (80% aller zwischen 2001 und 2013 entstanden Arbeitsplätze gingen an Frauen).

Forderungen und Gestaltungsmöglichkeiten für Frauen

Der digitale Wandel findet jetzt statt. Jetzt entscheidet sich, ob Frauen die digitale Zukunft gestalten werden und welche Rolle sie in der digitalen Arbeitswelt spielen werden. Ob sie zu den Gewinnerinnen zählen werden, entscheidet sich daran, ob sie digitale Kompetenzen (sozio-technische Kommunikation, Mensch-Mensch Interaktion, dezentral und entroutinisiert Arbeiten können) am Arbeitsplatz erlernen können. Berufsübergreifende Fachkompetenzen und lebenslange Weiterentwicklungsbereitschaft ist gefragt, reine FacharbeiterInnen werden in dieser Form nicht mehr gebraucht. Wichtig hierbei ist die Beteiligung von ihnen an der Entwicklung von unterstützenden Apps. Ein Beispiel könnte die mitarbeiterorientierte Dienstplanentwicklung mithilfe von Künstlicher Intelligenz sein (Büroangestellte geben ihre Arbeitszeitwünsche ein, die App ermittelt aus den individuellen Wünschen den bestmöglichen Dienstplan). Außerdem braucht es flächendeckende Umschuldungs- und Weiterbildungsprogramme in allen computergestützten Tätigkeiten. Leider ist die Umgestaltung in den Unternehmen vielfach noch ergebnisoffen.

Zentrale Forderung an die Politik 

  1.     Nationale Weiterbildungsstrategien für ArbeitnehmerInnen besserer Überblick und Vereinheitlichung von Weiterbildungsanboten         und -maßnahmen (gerade Angebote vom Arbeitsamt sind unübersichtlich, Hilfesuchende sind überfordert und werden allein gelassen)         

2.   Finanzierung von Weiterbildungsmaßnahmen anstatt nur Anpassungsqualifizierung an Software vom Arbeitgeber bei der Finanzierung von Digitalisierungsmaßnahmen wird die Breite, am computerarbeitenden Bevölkerung – Büroberufe –vernachlässigt, gefördert werden Schulen und die Hightechindustrie (also das untere und das obere Ende). Finanzmittel müssen auch für diese breite Bevölkerungsgruppe bereitgestellt werden, sonst werden diese in der digitalen Transformation abgehangen.

3.   Frauen für MINT-Berufe qualifizieren → Eingebrachter Antrag zur Umsetzung der Reservierungsquote (Drucksache 18/1827)

4.   Digital Plan in Schulen (schnelle Internetverbindung für Lerninfrastruktur). Digitale Inhalte müssen als Schulfach vermittelt werden, Informatik muss Pflichtfach sein → mögliche Anfrage in Berliner Schulen

5.   Förderung von digitalen Kompetenzen in Gesundheitsberufen, Umgang mit digitalen Anwendungen in der Patientenversorgung (Videosprechstunde, Monitoring und Patientenakte)

6.   Schaffung von Servicestellen „Digitalisierung und Bildung für ältere Menschen“

Anregungen und Hinweise aus dem Publikum

1.  Vorstände in kleinen Unternehmen und Stiftungen (ohne Betriebsrat, Entgelttransparenzgesetz greift nicht) sind häufig männerdominiert und uninformiert bzgl. veränderten Digitalisierungsprozessen. Es gibt keine Ressourcen für Weiterbildungen.

2.  Frauenberatungsstellen und –projekte haben seit Jahren keine zusätzlichen Ressourcen in Verwaltung und Öffentlichkeitsarbeit, obwohl Anforderungen gerade in diesem Bereich durch die zunehmende digitale Bürokratisierung steigen

 

https://www.ines-schmidt.berlin/fileadmin/ines/Foto/2019/04/0408/190408_die_Linke_Kompetenzanforderung_im_Bu__ro_WifOR.pdf

https://www.ines-schmidt.berlin/fileadmin/ines/Foto/2019/04/0408/Fachgespra__ch_digitale_Kompetenzen_Arbeitswelt_Reichel_080419.ppt.pdf

https://www.ines-schmidt.berlin/fileadmin/ines/Foto/2019/04/0408/Fachgespra__ch_Frauen_und_Digitalisierung.pdf